Kalifornische Sehnsüchte bleiben am Woog unerfüllt

RalfechoFEHL AM PLATZ fühlt sich der Wellenreiter Ralf Wittwer mit seinem Surfbrett in Bessungen. Bald reisen beide an den Ort, an dem sie sich heimisch fühlen – Moliets-Plage an der französischen Atlantikküste. Ende August richtet Wittwers Verein dort eine Surfmeisterschaft aus. Anmeldungen und Infos gibt es in der Ludwigshöhstraße 37. (Foto: Günther Jockel)

Ralf Wittwer (22) ist ein geduldiger Mensch und gar nicht blond. Letzteres überrascht. Schließlich besangen die Beachboys in ihrem Song „Surfin’ USA“, der die Gruppe aus Kalifornien in den sechziger Jahren weltberühmt gemacht hat, diesen typischen von der Sonne und vom Salzwasser ausgebleichten Blondschopf eines Wellenreiters.

Geduld ist eine wichtige Vorraussetzung für das Hobby des Sportstudenten Wittwer: das Wellenreiten – eine Disziplin, die eher ein Lebensgefühl beschreibt, denn als klassische Sportart gilt. Wellenreiten hat viel mit Warten zu tun. Das Warten auf die optimale Welle, während man irgendwo, zum Beispiel am Atlantik, auf dem Surfbrett sitzt, den Blick auf den Strand und vielleicht auch auf die dort wartende Freundin gerichtet hat – und immer auch ein bisschen zurückschaut aufs Meer, um zu sehen, wann sie denn kommt, die Welle.

Geduld braucht ein Surfer wie Wittwer auch während der acht oder neun Monate im Jahr, die er nicht am Strand verbringen kann, weil er zwischendurch noch studieren muss.

„Wenn jeder einen Ozean hätte – quer durch die USA – würde jeder surfen, wie in Kalifornien“, sangen die Beach Boys. In Hessen hat niemand einen Ozean: durch Darmstadt führt noch nicht mal ein Fluss. Dafür gibt es die Autobahn A 5. Die verbindet Darmstadts Wellenreiter, die sich deshalb unter dem Namen „A 5 Surf Locals“ organisiert und einen Verein gegründet haben.

Die Idee dafür wurde in Frankreich von sechs Darmstädter Surfern geboren, die sich immer nur im Sommer am Strand trafen. Damit die Zeit dazwischen nicht zu lang wird, habe man sich einen monatlichen Stammtisch eingerichtet. Mit mittlerweile 25 Mitgliedern sind die „A 5 Surf Locals“ sogar Deutschlands mitgliedsstärkster Verein im Deutschen Wellenreit Verband (DWV).

Wenn die Stadt mitspielte, würden der Verein gern im Sommer nach Kassenschluss auf dem Woog trainieren. Trockenübungen sozusagen. Wellen gab es da bislang noch nicht. Aber man kann, auf dem Brett liegend, immerhin das Paddeln trainieren. Das ist die Vorraussetzung, um überhaupt auf das Meer hinaus hinter die „Line Up“ zu kommen. – dort, wo die Wellen brechen. Wenn der Surfer die richtige Welle herannahen sieht, fängt er nohmal an zu paddeln. Eine Wellenburg steigt dann hinter ihm auf, schiebt ihn nach oben. Das ist der Moment, wo er zusehen sollten, das sie ihn mitnimmt, und dass er schnell auf dem Brett zum Stehen kommt. Dann kann der Ritt beginnen. Ein einziges Glücksgefühl sei das.

In einem Song besingen die Beach Boys aber auch den „Waschmaschinengang“ den „Wipe Out“– das ist , wenn der Surfer sich kopfüber ins Wasser stürzt, etwa weil er die Balance verliert, oder weil er nicht bis zum Strand auf der Welle mitreiten will. Das Surfbrett kann dabei nicht verloren gehen. Es ist mit einer Leine, der „Leach“, am Fuß befestigtt . Das Brett bewahrt den Surfer davor, in den Wellen unterzugehen. Unter Wasser relativiere sich übrigens die Zeit, sagt Wittwer. Viele kriegen Panik und einen ziemlichen Adrenalinschock., wenn sie nur zehn Sekunde unter Wasser sind, „das kommt einem vor wie das Zehnfache an Zeit“.

Bei den Surfmeisterschaften, dieder Verein vom 25. bis 27. August am Moliets-Plage am französischen Atlantik ausrichtet, wird das spektakulärste Runterfallen auch prämiert werden. Ansonsten wird ganz klassisch nach den Wettkampfkriterien bewertet, wieviel verschiedene so genannte Manöver etewa der Surfer auf der Welle durchgeführt hat. Zwischen einem schlechten, ordentlichen oder excellenten Ritt (das bedeutet: mehr kann man aus einer Welle nicht herausholen) liegen Welten.

Übrigens konnten die Beach Boys selbst gar nicht surfen – bis auf einen, aber der ist ausgerechnet ertrunken. Beim Bootfahren. Vielleicht hätte ihn ein Surfbrett retten können.

Inke Koriath

19.7.2000

Quelle: http://www.echo-online.de vom 20.07.2000

Ripcurl FCS Wavetours